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Vier Antworten auf unsere Fragen zur OB-Wahl

Der OB-Wahlkampf ist nun auf der Zielgeraden angekommen. Viele Themen wurden in den letzten Wochen erörtert und bei verschiedenen Wahlkampfveranstaltungen standen die OB-Kandidat*innen Rede und Antwort.

Leider ist das Thema Inklusion in dem gesamten Wahlkampf von keiner Seite besonders hervorgehoben worden. Dies zeigt, dass Inklusion nach wie vor noch immer als ein „Randgruppenthema“ wahrgenommen wird, obwohl ca. 20% der gesamten Stadtbevölkerung von einer Behinderung betroffen ist. Damit sich daran etwas ändert, wurden auf einer Sitzung des Inklusionsbeirats von den teilnehmenden Mitgliedern Fragen gesammelt, welche an alle OB-Kandidat*innen weitergeleitet wurden.

Die Fragen spiegeln einen Teil der Themen, die für Menschen mit Behinderung von z.T. existenzieller Bedeutung sind und welche auch einen Hinweis für eine zukünftige Oberbürgermeisterin, oder einen Oberbürgermeister geben, wo bei den Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen „der Schuh drückt“.


Wir freuen uns, dass die meisten Kandidat*innen sich die Zeit dafür genommen haben, sich mit der Thematik Behinderung & Inklusion auseinanderzusetzen und dass sie z.T. sehr ausführlich auf unsere Fragen eingegangen sind. An dieser Stelle möchten wir uns bei Frau Pfeiffer, Frau Kimmel, Herrn Wiesemann und Herrn Kürwitz recht herzlich bedanken. Auch wenn vermutlich die meisten Wähler*innen schon eine Wahlentscheidung getroffen haben und viele Menschen bereits per Briefwahl gewählt haben, möchten wir die Antworten auf unsere Fragen öffentlich machen, weil wir denken, dass diese auch über die Wahl hinaus von Bedeutung sind.


Schließlich kann jeder Mensch von Behinderung betroffen sein, oder in seinem persönlichen Umfeld mit dem Thema konfrontiert werden.
Die meisten Behinderungen werden nämlich erst im Laufe des Lebens erworben und sind in der Regel Folgen einer plötzlichen Erkrankung oder eines Unfalls. Betroffen sind hierbei Menschen aller Altersstufen vom Kleinkind bis zu Hochbetagten.


Damit wir uns als Inklusionsbeirat optimal für die Belange und die Rechte der Menschen mit Behinderung einsetzen können, ist es wichtig, den Rückhalt und die Unterstützung einer Oberbürgermeisterin oder eines Oberbürgermeisters zu spüren und das Gefühl vermittelt zu bekommen, ernst- und wahrgenommen zu werden. Leider war dies in der Vergangenheit nicht der Fall.


Besonders begrüßenswert fanden wir daher, dass die Kandidat*innen in ihren Antworten Kooperationsbereitschaft signalisierten und gemeinsame Treffen und Gespräche vorgeschlagen haben. Wir wollen keine Wahlempfehlung aussprechen und im Vorfeld der Wahl auch keine Bewertung der Antworten vornehmen, aber wir finden es wichtig, sich mit den Positionen der OB-Kandidat*innen zu den Themen Inklusion und Behinderung auseinanderzusetzen.


Egal wer das Rennen macht und schlussendlich die Wahl gewinnen wird – wir freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der zukünftigen Oberbürgermeisterin / bzw. dem zukünftigen Oberbürgermeister. Wir wünschen ihr oder ihm ein „gutes Händchen“ für die kommenden Aufgaben.

Für den Inklusionsbeirat
Christine Tischer
(Vorsitzende des Inklusionsbeirates Kaiserslautern)


Hier die Antworten der Kandidat*innen als PDF-Dateien:

Die Antworten von Anja Pfeiffer:


Die Antworten von Beate Kimmel:


Die Antworten von Tobias Wiesemann:


Die Antworten von Thomas Kürwitz:

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„Der Stand der Dinge – Barrierefreiheit auf dem Prüfstand“ (Teil 2)

Pressemitteilung zur zweiten Begehung/Berollung des Rathauses

Am 14.0.2022 fand auf Einladung des Inklusionsbeirates die zweite Begehung /Berollung des Rathauses statt. Ziel war es, bei diesem Termin unter anderem zu überprüfen, in wie weit seit der letzten Begehung / Berollung vom 16.03.22 „Bewegung ins Spiel“ gekommen ist und ob von den beklagten Missständen bereits welche in Angriff genommen, bzw. behoben wurden.

Begrüßung im Rathausfoyer

Der Einladung folgten zahlreiche Mitglieder des Inklusionsbeirates Herr Griebe, als Beauftragter für die Belange der Menschen mit Behinderung der Stadt Kaiserslautern, Frau Pfeiffer für den Stadtvorstand, Frau Jesse und Herr Holzmann vom Referat Gebäudewirtschaft, eine Vertreterin der Schwerbehindertenvertretung des Rathauses, Vertreterinnen der Presse, sowie der Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Herr Matthias Rösch, der eigens aus Mainz angereist kam, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen.

Schwerpunkt der jetzigen Begehung sollte das Rathaus West in der Maxstraße sein. Im Rathaus „große Maxstr.“ sind viele Stellen des Sozialreferates untergebracht. Unter anderen befinden sich hier die Anlaufstellen der Eingliederungshilfe, der Seniorenberatung, der Blindenhilfe und die zuständige Stelle für Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter. Allein die Nennung der Zuständigkeitsbereiche macht deutlich, dass hier viele Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen und Beeinträchtigungen, Hilfe und Unterstützung suchen. Aus diesem Grund sind Leistungsträger per Gesetz verpflichtet, Sozialleistungen in Verwaltungs- und Dienstgebäuden auszuführen, welche frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind. (SGB1 / §17)

vor dem Rathaus West / Maxstr.

Allerdings ist auch das Rathaus Maxstr. keineswegs „barrierefrei“. Vor dem Haupteingang auf der Vorderseite des Gebäudes führen steile Treppen in das Gebäude. Eine Beschilderung zu einem Eingang für Menschen mit Gehbeeinträchtigung ist kaum erkennbar. Wer mit Rollstuhl, Rollator, oder Gehhilfe kommt, muss über einen sehr steilen, ungesicherten und somit gefährlichen Weg zum Hintereingang. Ohne fremde Hilfe ist dies kaum möglich. Am Hintereingang führt zwar eine Rampe zum Eingang, aber auch diese hat eine höhere Steigung als vorgeschrieben. Die schwere Eingangstür ist verschlossen. Es gibt weder eine Klingel noch eine Lautsprecheranlage, geschweige denn automatische Türöffner. Weitere Mängel wurden im Gebäude thematisiert, wie beispielsweise ein zu kleiner Aufzug ohne akustische Stockwerksansage, das Fehlen eines barrierefreien Besprechungszimmers etc.

im Rathaus West / Maxstr.

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass dieses Gebäude in seinem derzeitigen Zustand nicht für den Zweck geeignet ist, für den es genutzt wird. Daher wurde von den Mitgliedern des Inklusionsbeirates auch die Frage in den Raum gestellt, ob es denn nicht sinnvoller wäre, die gesamte Behörde in das Rathaus Nord, welches wesentlich barriereärmer als das Hauptgebäude oder das Rathaus West ist, umzuziehen. Zumal es sich bei dem Gebäude in der Maxstr. um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt und sich die Planungen für Umbaumaßnahmen auch hier kompliziert gestalten. Allerdings wurde hier von Herrn Rösch nochmals betont, dass Denkmalschutz Barrierefreiheit nicht ausschließt.

Wer bereits bei der ersten Begehung im März dabei war, musste mit Enttäuschung feststellen, dass sich seit März in Sachen Barrierefreiheit wenig getan hat. Zwar gab es am 4.April ein klares Bekenntnis des Stadtrates zur Barrierefreiheit, in dem der Stadtrat u.A. die schnellere und effektivere Schaffung von mehr Barrierefreiheit, sowie konkrete bauliche und verwaltungsrelevante Maßnahmen beschlossen hat, doch Papier ist bekanntlich geduldig. Konkret ist seit dem noch wenig passiert. Weiterhin, fehlt es auch im Hauptgebäude an Beschilderungen, kontrastreichen Bodenmarkierungen, akustischen Ansagen in den Aufzügen. Von baulichen Veränderungsmaßnahmen wie dem Umbau der Gästetoilette im Foyer, oder der Errichtung barrierefreier Zugänge zu den Gebäuden ganz zu schweigen.Mit Verweis auf die derzeitige „Haushaltssperre“ wurde dem Inklusionsbeirat im Vorfeld der Begehung/ Berollung mitgeteilt, dass den zuständigen Mitarbeiterinnen die Hände gebunden seinen.

An der Rampe am Hintereingang des Rathaus West / Maxstr


Für die Mitglieder des Inklusionsbeirates ist dies jedoch eine fadenscheinige Argumentation. Wenn man bedenkt, dass einfache Kopien mit dem Hinweis auf barrierearme Zugänge nur wenige Bodenmarkierungsband Cent kosten und eine Rolle kontrastreiches für 14€ in jedem Baumarkt zu haben ist, zeugt ein Verweis auf die Haushaltslage nicht gerade von großem Einfühlungsvermögen. Eine solche Argumentation klingt auch nicht nach dem ernst gemeinten Interesse, die Probleme konkret anzugehen. Zumal diese ganzen Probleme nicht erst seit der Haushaltssperre bekannt sind. Es handelt sich um teils unwürdige und untragbare Zustände, die schon seit Jahren bekannt sind und auf Kosten von Menschen mit Behinderung gehen. Unter den derzeitigen Bedingungen ist es an diesen Orten nicht möglich, selbstbestimmt und unabhängig von der Hilfe von anderen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.


Die gemeinsame Begehung und Berollung war daher ausgesprochen wichtig und hat gezeigt, dass Veränderungen erst dann passieren, wenn eine Sensibilisierung für die Thematik in alle Verwaltungsbereiche und -Ebenen real stattfindet und das Thema auch medial in Öffentlichkeit und Politik transportiert wird. In einer abschließenden Gesprächsrunde im Rathaus Nord konnten Teilnehmenden nochmals in einer zugewandten und sich die wertschätzenden Atmosphäre über ihre Eindrücke austauschen. Für die Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung war es sehr eindrücklich, persönlich und hautnah zu erleben, wie sich fehlende Barrierefreiheit auf das Leben und den Alltag für Menschen mit Behinderungen auswirkt. Wirklich positiv und produktiv war der Austausch mit dem Abteilungsleiter des Referates Gebäudewirtschaft, Herrn Holzmann und seiner Mitarbeiterin Frau Jesse.

Die Mitglieder des Inklusionsbeirates konnten dadurch auch Einblick in die Arbeit und den umfangreichen Aufgabenbereich des Referates erhalten. Anhand eines konkreten Planes für den Umbau der Gästetoilette Foyer konnte wiederumaufgezeigt werden, wie wichtig es ist, dass Betroffene selbst, gemäß dem Motto „nicht über uns, ohne uns“, in Planungen eingebunden werden, da die Betroffenen selbst ihre Bedarfe am besten kennen und vermitteln können. Auch wenn seit der letzten Begehung / Berollung leider noch nicht so viel konkretes passiert ist wie erhofft, war diese Veranstaltung in den Augen des Inklusionsbeirats ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zu einer besseren
Kommunikation zwischen Betroffenen, Verwaltung und Politik. Die Betroffenen konnten ihren Forderungen anhand persönlicher Vermittlung der Problematik, nochmal Nachdruck verleihen.

Nun gilt es, weiterhin am Ball und im Austausch zu bleiben, um das Thema Barrierefreiheit im Bewusstsein von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit zu verankern.

Die Vorsitzende des Inklusionbeirats Christine Tischer und der Landesbehindertenbeauftragte Matthias Rösch

Barrierefreiheit ist kein „nice to have“ sondern ein grundlegendes gesetzlich verankertes Recht, das Menschen mit Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben garantiert und sollte deshalb auch in Kaiserslautern schnellst möglich umgesetzt werden.


Christine Tischer
(Vorsitzende des Inklusionsbeirats Kaiserslautern)